Linienhalter und Meister

Der verwirklichte Mahamudrameister Gendün Rinpoche gründete in Frankreich Retreatzentren

Zeitleiste

Lama Gendün Rinpoche

1918
in Osttibet geboren

1925-1939
erste Klosterjahre

1939-1959
Retreatjahre in Tibet

1959-1960
Flucht nach Indien

1975
Gendün Rinpoche kommt auf Wunsch des 16. Karmapa Rangjung Rigpe Dorje nach Frankreich, Dhagpo Kagyü Ling

Ab 1982
unterrichtet Gendün Rinpoche regelmäßig im Kamalashila Institut und besucht viele Stadtzentren in Deutschland

1984
unter der Leitung von Gendün Rinpoche beginnt in Dhagpo Kündröl Ling (Auvergne) das erste Dreijahresretreat

1986
unter der Leitung von Gendün Rinpoche beginnt ein Dreijahreretreat in Halscheid (Deutschland)

1990
Gendün Rinpoche zieht ganz nach Kündröl Ling in die Auvergne

1993
beginnt unter Anleitung von Gendün Rinpoche der Bau eines Tempels in Le Bost (Frankreich)

1994
unter der Leitung von Gendün Rinpoche wird das Männerkloster in Le Bost fertiggestellt

1995
wird auf Wunsch von Gendün Rinpoche der Verein Karma Kündrol Püntsok Ling gegründet, der heute der Trägerverein des Dharmazentrums Möhra ist

1996
unter der Leitung von Gendün Rinpoche wird das Frauenkloster Laussedat fertiggestellt

31. Oktober 1997
Gendün Rinpoche verläßt seinen Körper. Die Verbrennungszeremonie findet 49 Tage später in Dhagpo Kündröl Ling statt und wird von Shamar Rinpoche geleitet

Gendün Rinpoche

Gendün Rinpoche wurde 1918 in einem Hochtal der Provinz Nangtschen in Kham, Osttibet, geboren. Sein Vater war ein Bildhauer, der Mantras in Holz und Stein meißelte. In den Sommermonaten lebte die Familie in einem großen Zelt bei ihren Herden. Der kleine Junge liebte es, sich eine Hütte aus Zweigen zu bauen und Einsiedler zu spielen. Schon früh hatte er die Fähigkeit, tief nachzudenken und fragte sich, was wohl der Nutzen weltlicher Handlungen zur Zeit des Todes sein würde. Eingehend dachte er über die Leiden der Wesen in den verschiedenen Daseinsbereichen nach. Er empfand tiefes Mitgefühl für ihr Elend und befürchtete, auch seine Eltern werde zur Zeit ihres Todes ein ähnliches Schicksal ereilen. Sein Vater versuchte, ihm sein Handwerk beizubringen, aber alle Mühe war vergebens. Der Junge bat immer wieder darum, bei einem spirituellen Meister lernen zu dürfen. So erhielt er mit sieben Jahren die Erlaubnis, in das nahegelegene Kloster von Khyodrag zu gehen.

Der kleine Mönch fühlte sich nur dann wirklich zufrieden, wenn er in Meditation verweilen konnte. Die meiste Zeit verbrachte er zu Füßen der großen Meister seines Klosters. Mit siebzehn Jahren erhielt er die volle Ordination und mit einundzwanzig begann er das traditionelle Retreat von drei Jahren und drei Monaten. Danach praktizierte Gendün Rinpoche noch sieben Jahre in strenger Abgeschiedenheit in einer Klosterzelle.

Schließlich besuchte ihn sein Meister Tulku Tendsin und riet ihm, nicht länger in Zurückgezogenheit zu bleiben, denn er habe Verwirklichung in der Praxis erlangt und sei ein wahrer »Halter des Segens« geworden. Von nun an könne er unter den Menschen zum Wohl der Wesen wirken, denn seine Verwirklichung sei »unumstößlich wie ein goldener Fels«.

Nach anfänglichem Zögern beendete Gendün Rinpoche das formelle Retreat und machte sich auf eine einjährige Pilgerreise zu heiligen Orten in ganz Tibet. Anschließend setzte er seine Praxis für etwa zehn Jahre in abgeschiedenen Höhlen fort, die durch große Verwirklichte der Vergangenheit gesegnet worden waren. Dort erlangte er die vollkommene Verwirklichung. Als Tibet 1959 militärisch besetzt wurde, erschien Gendün Rinpoche eine Schutzgottheit, die ihm riet, nach Indien aufzubrechen.

Kaum angekommen, betraute ihn der 16. Karmapa Rangjung Rigpe Dorje für drei Jahre mit der Leitung eines neuen Klosters in Bhutan. Danach lebte Gendün Rinpoche weitere zwölf Jahre zurückgezogen in Kalimpong (Nordindien), in denen er jedes Jahr Übertragungen vom 16. Gyalwa Karmapa erhielt. 1975 kam er auf dessen Bitte nach Frankreich. Gendün Rinpoche widmete sich unermüdlich der Verbreitung des Dharma. In den Jahren bis 1990 reiste er mehrmals durch nahezu alle Länder Westeuropas. 1983 gründete er in der Auvergne (Frankreich) ein Retreatzentrum, wo Menschen aus vielen Ländern der westlichen Welt für drei Jahre oder länger praktizieren. Dem folgte die Schaffung der klösterlichen Gemeinschaften in Le Bost und Laussedat und eines Tempels für Meditationskurse und Zeremonien (ebenfalls Le Bost).

Am Freitag, dem 31. Oktober 1997 verließ Gendün Rinpoche im Beisein einiger naher Schüler seinen Körper in Dhagpo Kündröl Ling. Nur neun Tage zuvor, am 22. Oktober, hatte Rinpoche noch mehr als tausend Menschen während der Abschlusszeremonien zum Retreatausgang persönlich seinen Segen gegeben. Die Verbrennungszeremonien wurden 49 Tage später von Shamar Rinpoche geleitet und fanden ebenfalls in Dhagpo Kündrol Ling statt.

Die Besonderheit Gendün Rinpoches war die Einfachheit seiner Gegenwart, so offen und so nah. Er hat niemals den Eindruck erwecken wollen, ein großer Lama zu sein, jemand Besonderes, sondern erschien lieber wie ein gewöhnlicher Lama, und genau das ist das Außergewöhnliche an ihm. Jeder konnte sich ihm ohne Schwierigkeiten nähern.

1999 wurde Gendün Rinchen vom 14. Shamar Rinpoche als die Wiedergeburt von Gendün Rinpoche anerkannt. Gendün Rinchen besucht regelmäßig das Dharmazentrum Möhra und erhält einen Teil seiner Ausbildung hier.

Text: Lama Tilmann Lhündrup

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